Wally und ihre Georgi-Bar
Ab Mitte der 1960er-Jahre veränderte sich die junge Musikwelt. Dafür sorgten The Beatles, The Rolling Stones und viele andere. Langhaar-Frisuren lösten glänzende Elvis-Pomade ab. Woodstock wurde zur Revolution. Joan Baez und Joe Cocker waren angesagt.
All das brachte einen neuen Lokal-Typ ins gastronomische Geschehen. Die Diskothek wurde geboren und eroberte im Handumdrehen Stadt und Land. Die Jugend hatte neue Kathedralen. Meist waren es Kellerlokale. Auch in der Villacher Vorstadt, in der Pogöriacher Straße 187 in St. Georgen, setzte die junge Wirtin Valerie Seefried 1968 auf die neue Musik und ein Kellerlokal in ihrem Gasthof Wiegele oder Gasthaus Zur Linde. Doch anstelle eines Diskjockeys versah in Valeries Georgi-Bar eine Music-Box die Diskjockey-Arbeit. Die Gäste wählten ihre Musik per Knopfdruck und bezahlten dafür. Ein-Schilling- und Fünf-Schilling-Münzen brauchte man dafür. Für den Fünfer gab es eine sechste Platte dazu. Valeries Gäste kamen von weit her. Villacher und Umlandjugend traf sich in der Georgi-Bar, die keine Diskothek, sondern eine Tanzbar war. Das gab es auch nicht an jeder Ecke.
„Bei der Geierwally sinniert so mancher Gast noch heute über seine Jugenderlebnisse und sieht die 26 Jahre alte Music-Box“
Neue Wege, neues Publikum
Im Dorf vor der Stadt arbeitete Valerie Seefried als alleinerziehende Mutter von vier Kindern beinahe Tag und Nacht. Denn neben den Kindern war der Gasthof zu betreuen, Einkäufe zu erledigen, Vorbereitungen zu treffen. Am Sonntag gab es den 5-Uhr-Tee mit Live-Music. Die Bar war Kult, die Nächte lang und 7-Tage-Wochen obligat. Es floss viel Alkohol, und die Kombination Alkohol und Auto war „fast“ legal. Das sorgte natürlich auch für das nötige Quantum Aggression. Frau Valerie verzichtete nicht nur auf den Diskjockey, sie hatte auch keine Türsteher und kein Sicherheitspersonal, sprich „Außeschmeißer“. Zwistigkeiten und Rauswurf erledigte die Wirtin selbst. Dafür hatte sie drei Waffen parat: Bei leichten Fällen genügte die „softige Watschn“, bei größeren Raufereien kamen der Besenstiel oder die volle Siphon-Flasche (Sodawasserflasche mit Spritzdüse) zum Einsatz. Für ihr resolutes Vorgehen erhielt Valerie Seefried von ihren Gästen bald den Spitznamen Geierwally. Der stammte aus einem Film über eine mutige Frau, die sogar mit einem Geier kämpfte. Doch das blieb Frau Seefried erspart. An noch etwas erinnern sich die damaligen Gäste. Eine ihrer kulinarischen Spezialitäten war und ist bis heute der Toast des Hauses. Die Töchter können sich noch gut daran erinnern, dass die Mama oft Berge von Toasts vorbereitete – und am Morgen war alles verkauft.
Tanz im Saal
Wegen des guten Zuspruchs baute die Wirtin Anfang der 1970er-Jahre über dem Keller den großen Tanzsaal. Den gibt es heute noch. Erst in den 1980er-Jahren gönnte sich die vierfache Mutter die Einführung eines Ruhetages. Das Konzept Georgi-Bar lief bis 1988. Dann baute Valerie vorausschauend Wohnungen über dem Tanzsaal und betrieb weiterhin ihr Gasthaus Zur Linde. Dort steht noch heute eine 26 Jahre alte Music-Box.
50 Jahre lang Wirtin
Viel kann Valerie aus ihrem 50 Jahre währenden Leben als Wirtin erzählen. So mancher Gast kommt noch heute vorbei, um über seine Jugenderlebnisse in der Bar zu reden. Im Sommer dieses Jahres feierte die Geierwally ihren 85. Geburtstag. Und sie singt noch immer gerne. Als Wirtin ist inzwischen Tochter Elisabeth im Gasthaus tätig. Dort treffen sich heute verschiedene Vereine, die Jugend, die Zech – nicht nur beim Oberdörfer Kirchtag, Sängerinnen und Sänger oder Country-Tänzerinnen. Es tut sich noch viel im Gasthaus Wiegele bzw. Zur Linde.
„Verzicht auf Diskjockey, Türsteher und Sicherheitspersonal = Außeschmeißer: Valerie begnügte sich mit softiger Watschn oder mit Besenstiel und voller Siphon-Flasche“
Text: Hans Messner