Die „New Generation“ am Arbeitsmarkt
Der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung geht massiv zurück. Die Pensionierungswelle der Babyboomer bringt den Arbeitsmarkt in arge Bedrängnis. Ein heißes Bietergefecht ist jetzt um die sogenannten Millennials entbrannt.
Die besonders geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre, also die Babyboomer, jetzt alle um die oder über 60 Jahre alt, verabschieden sich nach und nach in den Ruhestand. Qualifizierte Nachwuchs- und Fachkräfte zu bekommen, um damit diese Lücke schließen zu können, ist seit Jahren eine der größten und dringlichsten Herausforderung am Arbeitsmarkt, welcher sich vor diesem Hintergrund zu einem regelrechten Bewerbermarkt gewandelt hat. Und hier buhlen alle vor allem um eine Gruppe: die Generation Y – besser bekannt als die Millennials.
Die Millennials
Sie machen heute bereits einen großen Prozentsatz unserer Arbeitskräfte aus, sind zwischen 1981 und 1998 geboren, gut ausgebildet, im digitalen Zeitalter groß geworden und beherrschen diese Technologien wie keine andere Generation. Die Millennials sind eine wichtige Zielgruppe am Arbeitsmarkt, die sich hinsichtlich ihrer Werte und Einstellungen jedoch meist stark von älteren Generationen unterscheiden.
Um die Millennials für ein Unternehmen zu begeistern, muss man demnach erst Bedürfnisse und ihre Anforderungen an die Arbeits- und Lebenswelt erkennen und verstehen. Mit herkömmlichen Benefits wird man hier als Arbeitgeber nicht weit kommen. Wie ticken die Millennials also? Eine zentrale Frage auch im Interview mit Zukunftsforscher Tristan Horx.
VILLACH exclusiv: Sie gehören selbst zur Zielgruppe der Millennials, die für viele Unternehmen aktuell im Fokus stehen. Was muss man als Arbeitgeber bieten, um für diese Generation interessant zu sein?
Tristan Horx: Da gibt es jede Menge. Für uns zählt in erster Linie Lebensqualität, Selbstverwirklichung und Flexibilität. Unsere Mission war von Anfang an, uns dafür einzusetzen, dass Gelder gerecht verteilt werden, wir haben uns für flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Work-Life-Balance und Workation stark gemacht. Das haben wir schon einmal versucht – und haben dann von der Arbeitswelt voll eines draufbekommen. Durch Corona ist das jetzt plötzlich doch alles möglich. Es gilt hier vor allem auch, die generationentechnischen Verletzungen zu reparieren.
VILLACH exclusiv: Das klingt, als müsste hier auf vor allem auf Beziehungsebene noch einiges zurechtgerückt werden.
Ja – denn es ist in der Generationskommunikation gerade von den Babyboomern zu den Millennials einiges schiefgegangen. Es braucht Verständnis von allen Seiten. Wir Millennials sind alt genug, um Zusammenhänge zu verstehen, und wir wissen auch, dass wir diese fantastische Welt, in der wir leben, auch den Babyboomern zu verdanken haben, die hart dafür gearbeitet und das alles so geschaffen haben, wie es jetzt ist.
Und ich verstehe auch, wenn wir dann mit der sogenannten Workation um die Ecke kommen, also der Mischung zwischen Arbeit und Urlaub – das ist erstmal schwer verständlich für jemanden, der 30 Jahre lang 8 Stunden täglich im selben Unternehmen hart geschuftet hat. Aber jetzt muss man halt auch der nächsten Generation zugestehen, dass sie den Experimentierspielraum hat und neue Wege, Modelle und Möglichkeiten nutzt – gerade wenn es um den Komplex des Arbeitsmarktes geht.
VILLACH exclusiv: Worauf legen die Millennials bei ihren künftigen Arbeitgebern ganz besonders viel wert ?
Platz 1 ist ganz klar die Produktion von qualitativ hochwertigen Gütern und Leistungen. Wir haben den Qualitätsanspruch. Wir stehen nicht auf Quantität, sondern auf Qualität. Die Repair- und Kreislaufwirtschaft ist für uns sehr wichtig. Ökologisch bedachte Arbeitsfelder und Branchen werden sich dabei generell leichter tun, Millennials anzuziehen.
Vor allem aber muss unser Tun sinnhaft sein. Wenn mir der Arbeitgeber einen Sinn gibt, für das, was ich mache, dann ist es für mich nicht Arbeit und nicht mühsam. Dann mache ich das egal von wo – und bin dabei sogar noch produktiver.
VILLACH exclusiv: Um es auf den Punkt zu bringen: Was muss ich als Arbeitgeber ganz konkret bieten, um einen Millennial für mein Unternehmen zu begeistern?
Also, ganz klar: individuelle Anpassung der Arbeitsbedingungen. Einen Millennial mit einem 40-Stunden-Rahmenvertrag zu locken … der muss dann schon sehr gut bezahlt sein. Was aber meines Erachtens ganz wesentlich ist, ist vor allem auch ein Vertrauensvorschuss – gerade in Bezug darauf, wann, wo und wie man arbeitet.
Clever ist es aber beispielsweise auch, Zuschüsse für Homeoffice zu gewähren – sei es für Miet- und Wohnkosten oder die Infrastruktur zu Hause. Ein Ansatz für Unternehmen wäre es, hier zu sagen: Wir reduzieren den Büroplatz, und dafür geben wir den Arbeitnehmern einen
Zuschuss, damit sie sich eine größere Wohnung checken können, in der z. B. ein sinnvolles Arbeitszimmer ist. Das wäre sehr schlau. Und eine Sache, auf welche die Millennials ehrlicherweise überhaupt nicht stehen, sind sehr starke Hierarchien. Mit diesem „Ich bin dein Vorgesetzter und habe immer recht“, damit wird man nicht weit kommen. Da ist es schon durchaus die Bemühung wert, Hierarchien abzuflachen.
VILLACH exclusiv: Da kommen jetzt aber doch einige Aufgaben auf die Unternehmen zu.
Ja – wenn man eben 30 Jahre lang verschlafen hat … Man hat damals einfach gewisse Modelle vom Industriezeitalter übernommen – wie z. B. die 40-Stunden-Woche. Heute wundert man sich, wenn die Leute acht Stunden dort sitzen, vier Stunden produktiv arbeiten und den Rest der Zeit irgendwo auf Facebook rumschwirren. Gutes Management braucht das nicht, dass man seinen Arbeitnehmern ständig auf die Finger schauen muss, gutes Management erschafft eine sinnvolle Vertrauenskultur. Im Grunde ist die These hinter New Work ganz einfach: die richtige Aufgabe zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und das ist individuell und muss individuell angepasst werden.
VILLACH exclusiv: Sind sie zuversichtlich, dass man hier einen Konsens zwischen den Generationen findet?
Ja, klar – eine Krise, so wie auch jetzt COVID, führt halt immer auch zu einer Zuspitzung von Befindlichkeiten und Ängsten. Ich bin ja grundsätzlich immer sehr optimistisch und positiv. Einzig ein Thema, das mich immer frustriert und „nervös“ macht, ist diese Internetkommunikation. Wir haben eigentlich alle miteinander so viel energetisches Potenzial, und wir vergeigen das dann in der Kommunikation. Nachdem wir in verschiedenen digitalen Welten leben, wäre es ein wichtiger Weg, die Generationen einfach
wieder öfter in echte Begegnungen zu bringen.
Interview: Gerlinde Tscheplak