Leasing von Bauprodukten verändert den Markt
Secondhand bringt man meist mit Kleidung oder Möbeln in Verbindung. Viele kaufen, was andere bereits genutzt haben. Dies ist zunehmend auch ein Ansatz in der Baubranche. Türen, Böden oder Deckenelemente beispielsweise, können geleast werden, um danach von anderen wiederverwendet zu werden.
Leasing kennt man vor allem bei Autos, und es ist vergleichbar mit der Miete. Der Leasingnehmer zahlt für die Überlassung des Autos eine monatliche Leasingrate, deren Höhe vom Automodell, von der Marke, der Ausstattung und dem Neupreis abhängt. Die Leasingraten sind dabei meist günstiger als bei einem Kredit. Man besitzt beim Leasing zwar kein Auto, kann dessen Vorteile aber perfekt nutzen und schont das Eigenkapital.
Die Veränderungen in der Bau- und Immobilienbranche führen mittlerweile dazu, dass Leasingmodelle auch in diesem Bereich forciert werden. So können Kunden beispielsweise für Fenster oder Fußböden Leasingverträge mit einer festen Nutzungsdauer abschließen. Für Bauherren entstehen so weniger Anschaffungskosten, und sie müssen sich später auch nicht um die Entsorgung kümmern. Die Hersteller übernehmen gegebenenfalls auch wieder den Ausbau und engagieren sich für eine umweltschonende Weiterverwendung der Fenster oder Türen.
Bauprodukte erfahren Dauerservice
Im Zuge der Kreislaufführung von Produkten und Bauteilen ist es sogar möglich, ganze Hausfassaden zu leasen. Dies bildet die Grundlage dafür, dass nachhaltigere Gebäude und Fassaden entstehen. Leasing kann man dann als eine Art von Produktservice verstehen. Ziel ist es nämlich, dass durch verbesserte Strategien im Fassadenbau neue, umfassende Produktservices möglich werden. Diese erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus von Gebäudehüllen, was wiederum zu besseren Lösungen führt. Viele Inhaber – speziell von Gewerbeimmobilien – haben eigentlich kein großes Interesse daran, Immobilien durch aufwendiges Facilitymanagement zu verwalten.
Wenn ein Haus gebaut wird, achtet man heute stark darauf, das so kostensparend wie möglich zu tun. Für das Facilitymanagement und dafür, dass sich dann jemand um die Immobilie kümmert, ist man allerdings wieder bereit, viel Geld auszugeben. Ziel durch das Leasing sollte es aber sein, so wenig wie möglich Unterhaltungsaufwand zu betreiben. Investoren und Gebäudeinhaber sollten nämlich passende Fassadensysteme errichten, die dann über ein integrales Konstruktions- und Wartungskonzept verfügen. Die Baufirmen oder Inhaber müssen demnach ihr Arbeitsumfeld erweitern und eine integrale Planung vornehmen. Diese umfasst die spätere „Verwaltung“ der Fassade über ihren gesamten Lebenszyklus.
Hersteller – also beispielsweise von Fenstern, Fußböden oder sogar Fassaden – sorgen im Sinne der Kreislaufführung von Produkten und Bauteilen dafür, dass deren Lebensdauer verlängert wird und Bauteile auch wiederverwendet werden. Diese Produkte können also industriell aufgearbeitet und auf dasselbe Niveau wie ein Neuprodukt gebracht werden. VILLACH exclusiv interviewte Herrn Prof. Wolfgang Grillitsch, Studiengangsleiter Architektur der FH Kärnten zu diesem Thema:
VILLACH exclusiv: Leasing in der Baubranche nimmt zu. So werden etwa Fenster, Türen oder Fußböden geleast. Welche Vorteile kann diese Entwicklung bringen?
Prof. Wolfgang Grillitsch: Das Leasing von Bauelementen wie Fenstern oder Fußböden könnte eine zirkuläre Bauwirtschaft vorantreiben. Durch Leasingverträge sind Hersteller oder Lieferanten stärker daran interessiert, Produkte von höherer Qualität zu entwickeln, die langlebig und einfach zu warten sind. Am Ende der Leasingperiode können diese Elemente repariert, aufgearbeitet und wieder in den Markt eingeführt werden, anstatt als Abfall zu enden.
Für die Bauherren oder Gebäudeeigentümer wäre es möglich, hochwertigere und hoffentlich auch nachhaltigere Bauelemente einzusetzen, ohne diese von Anfang an finanzieren zu müssen. Die Wartung und Instandhaltung könnten auch an das Leasing gekoppelt werden. Dadurch wären Argumente, mit denen heutzutage Abriss begründet wird, wie „abgewohnt“ im Wohnungsbau, nicht mehr stichhaltig.
Es sollte sogar möglich sein, ganze Fassaden zu leasen. Wie weit kann das Leasing in der Baubranche gehen, und wo gibt es noch Grenzen?
Bei den Grenzen ist wahrscheinlich die Frage, inwieweit sehr schwere, ortsfeste Teile wie Fundamente und unterirdische Bauwerke sinnvoll in einem solchen Modell eingebunden werden könnten. Interessant werden Ideen des Leasings aber bei einer Anpassung von Gebäuden während der Nutzungszeit. Im Prinzip könnten durch Leasing Nutzungsänderungen, das heißt der Austausch von Teilen eines Gebäudes, am besten innerhalb eines modularen Systems, oder auch eine Erweiterung möglich sein. So könnte eine Schule mal mehr oder weniger Klassen haben. Aber auch Gebäudetechnik könnte in kürzeren Intervallen ausgetauscht bzw. an verschiedene Bedarfe angepasst werden wie zum Beispiel PV-Elemente. Im Prinzip könnten dadurch viele Innovationen befördert werden, da finanzielle Risiken kalkulierbar werden.
Inwiefern kann sich Leasing bei Gebäuden in der Baubranche positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken?
Der Hauptvorteil liegt darin, dass es ein wichtiger Schritt hin zum zirkulären Bauen ist. Die Qualität der Bauprodukte wird dadurch höher, die Ressourcen werden geschont und Abfall vermieden. Außerdem ist zu erwarten, dass die Hersteller, wenn sie für die Rücknahme verantwortlich sind, es vermeiden werden, Material einzusetzen, dessen Entsorgung für sie problematisch und kostenintensiv sein könnte.
Welche weiteren Umbrüche in der Baubranche gibt es neben den angesprochenen Möglichkeiten des Leasings?
Insgesamt ist Bauen für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen, des Abfallaufkommens, des Ressourcenverbrauchs, der Verschmutzung von Trinkwasser, der Luftverschmutzung und des Rückgangs der Biodiversität verantwortlich. Wir müssen über den Landverbrauch und die Versiegelung kritisch nachdenken, deshalb muss es beim Bauen viele künftige Änderungen geben. Bauen verfügt über den längsten Hebel, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Außerdem müssen wir unser Umfeld an den Klimawandel anpassen. Deshalb ist eine Bauwende unumgänglich. Dabei werden Bauen im Bestand, zirkuläres Bauen und Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen im Mittelpunkt stehen.
Interview: Christian Granbacher