Abenteuer im Kopf
Computerspiele boomen mehr denn je. Unter den Spielern finden sich überraschend viele Erwachsene und auch Senioren. Und jedem zweiten Gamer helfen die digitalen Traumwelten durch die Coronakrise.
Lange hatten Computerspiele einen schlechten Ruf. Sie seien gewaltverherrlichend und würden süchtig machen. Ganz so einfach ist es aber nicht. „Man muss diesbezüglich stark differenzieren. Es gibt zu diesem Thema die unterschiedlichsten Thesen und Studienergebnisse. Wenn über Amokläufe diskutiert wird, stehen vor allem die Freizeitbeschäftigungen der Täter im Fokus, obwohl in fast allen Fällen eine psychische Störung damit verbunden ist“, erklärt Caroline Roth-Ebner. Sie ist assoziierte Professorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt und Expertin für digitale Medien.
Was die Computerspiele betrifft, ist die Nachfrage aktuell so groß wie nie zuvor. Fast jeder Zweite spielt hin und wieder. Genau 46 Prozent sind es laut einer aktuellen Bitkom- Studie aus dem August dieses Jahres. Weil es in Österreich wenig repräsentative Studien zu dem Thema gibt, muss eben die Befragung des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) aus Deutschland mit 1.195 Befragten herangezogen werden. „Unsere Mediennutzung ähnelt aber der unserer nördlichen Nachbarn“, hält Roth-Ebner diesbezüglich fest und verweist auf die interessanten Ergebnisse. In der Altersgruppe 16 bis 29 Jahre spielen 75 Prozent der Befragten Computerspiele. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 66 Prozent, bei den 50- bis 64-Jährigen immer noch 33 Prozent. Sogar 13 Prozent der Generation 65plus gehören zu den Gamern.
Das Belohnungszentrum wird aktiviert
Der Aussage „Ohne Video- und Computerspiele wäre mir während der Coronakrise die Decke auf den Kopf gefallen“ stimmten laut Studie 49 Prozent von 554 befragten Zockern zu. Über alle Altersgruppen hinweg verbringen die Gamer seit Beginn der Coronakrise im Schnitt sieben Stunde pro Woche mehr mit Computerspielen als zuvor. Und aus wirtschaftlicher Sicht ist interessant, dass sie monatlich um neun Euro mehr Geld für ihr Hobby ausgeben als vor der Pandemie.
Aber was ist es, das die digitalen Welten so interessant macht? „Der Eskapismus, also die Flucht aus der Realität, spielt eine große Rolle. Gar nicht so sehr, weil die eigene Lebenswelt unattraktiv ist, sondern weil man Abenteuer im Kopf erleben kann. Es tun sich Dinge auf, die man im wirklichen Leben nie erleben könnte“, so Caroline Roth- Ebner. Für sehr viele Menschen zählen Computerspiele mittlerweile zur Kultur. Ästhetische Welten und eine immer bessere Grafik ziehen die Nutzer in ihren Bann. „Ganz zentral ist auch der Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor. Wenn man gewinnt oder auf gewisse Lösungen kommt, wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiv. Ähnlich wie im Sport ist das ein starker Motivator“, so die Expertin für digitale Medien.
Lernen durch Computerspiele
Es kommt immer auf die Dosis an. Aus Asien sind mehrere Fälle überliefert, wonach exzessives und über Tage langes Computerspielen sogar mit dem Tod der Spieler aufgrund von Erschöpfung endete. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkennt Videospielsucht mittlerweile offiziell als Krankheit an. „Ich würde Eltern auch raten, die Alterskennzeichnung von Spielen zu beachten. Man sollte Mediennutzung begleiten und zeigen, wie man verantwortungsvoll damit umgeht“, sagt Roth-Ebner. Verteufeln muss man die Video- und Computergames nicht. Sie bringen sehr viele Lerneffekte mit sich. Angefangen von der Feinmotorik über das logische Denken bis hin zur Kreativität. Und Onlinegames waren vor allem zu Beginn der Coronapandemie ein wichtiger Faktor, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, wenn man sich schon nicht persönlich treffen
konnte.
Text: Christian Granbacher