Abenteuer neue Heimat – nachgefragt
7 Jahre ist es nun her, seitdem Anna und Christian Drabosenig in ein Flugzeug stiegen, um ein neues Leben auf einen anderen Kontinent zu beginnen (VILLACH exclusiv berichtete in der Ausgabe Winter 2015). Wie es ihnen ergangen ist, ob es der richtige Schritt war und ob sie immer noch ihre alte Heimat im Herzen tragen, erfuhren wir in einem
ausführlichen Gespräch mit den beiden.
Rückblick
Damals landeten Anna und Christian in Ucluelet, einer ländlichen Gegend an der Westküste British Columbias, Kanada. Anna arbeitete beim lokalen First-Nation-Stamm in der Abteilung für Umwelt- und Ressourcenmanagement. Als ehemaliges Mitglied der Spezialeinheit WEGA war es Christians Ziel, den Polizeidienst in Kanada fortzusetzen. Voraussetzung zum Eintritt in die kanadische Polizei ist jedoch eine Daueraufenthaltsgenehmigung seit mindestens 2 Jahren. Diese Zeit überbrückte er erfolgreich als selbstständiger Handwerker und realisierte viele spannende Projekte für Haus und Garten.
Beruflicher Umbau und familiärer Nachwuchs
Um den Kontakt zur Polizei in der Zwischenzeit nicht gänzlich abbrechen zu lassen, bewarb er sich auch als Jailguard bei der Polizeistation in Ucluelet. Seine Aufgaben bestanden im Wesentlichen in der sicheren Verwahrung von Gefangenen und deren Auslieferung an die zuständigen Sheriffs. In dieser Zeit erhielt er tiefe Einblicke in das kanadische Polizeisystem und dessen Verwaltung. Nach Ablauf der 2 Jahre bewarb sich Christian erfolgreich bei der Stadtpolizei von Abbotsford in der Nähe von Vancouver. Er absolvierte die 9-monatige Polizeischule und beschloss dann, sich wieder seiner wahren Profession zu widmen. Er bewarb sich bei der Spezialeinheit SWAT (Special Weapons and Tactics, Anm. Red.), das kanadische Äquivalent zur hiesigen Cobra. Es gelang ihm, sich im harten Auswahlverfahren zu profilieren und schließlich die körperlich und mental Grenzen überschreitende Prüfung im ersten Durchgang zu meistern. Aufgrund seiner Teamfähigkeit und Führungsqualitäten schaffte er es in der kurzen Zeit zum Teamleiter der „Breacher“ (jene ca. 5 Personen umfassende Gruppe, die bei Einsätzen für das Aufbrechen von Türen verantwortlich ist). Das gesamte Team besteht aus etwa 20 Leuten. Sie werden hauptsächlich bei Gewaltdelikten zu Hilfe gerufen. Daher besteht ein wesentlicher Teil dieses Jobs auch darin, in stetiger Alarmbereitschaft
zu sein.
Während der Jahre als Jailguard und seiner Ausbildung erblicke Sebastian Drabosenig das Licht der Welt, gefolgt von der jetzt bald 1 Jahr alten Victoria. Anna hielt ihm in dieser Zeit stets den Rücken frei und organisierte Familie und Umzüge. Ein Umzug in eine neue Stadt bedeutet schließlich nicht nur das Haus zu wechseln. Alte Freunde und bestehende Netzwerke müssen zurückgelassen, neue aufgebaut werden.
COVID-19 und Black Lives Matter
Anna und Christian behielten stets den Kontakt in ihre alte Heimat, zu ihren Freunden und Familie. Regelmäßig kehrten Sie nach Kärnten zurück, das sie auch nach 6 Jahren in Kanada immer noch im Herzen tragen. Und dann Die erfolgreichen Auswanderer Christian und Anna mit Sebastian, Victoria und Spiky kam COVID-19 mit allen privaten und gesellschaftlichen Folgen. Aufgrund der verschärften Reisebeschränkungen haben sich die 4 seit nun mehr als 2,5 Jahren nicht mehr mit ihren Eltern und Großeltern getroffen. Vor allem die kleine Victoria durften ihre Großeltern noch nie in den Armen halten. Heuer zu Weihnachten soll es dann endlich so weit sein. So zumindest die Hoffnung, sofern die Grenzen nicht wieder geschlossen werden. Das drückt natürlich auf die Psyche, und die gesellschaftlichen Auswirkungen werden Christian täglich in seiner Arbeit vor Augen geführt. Die Zahl der Gewaltdelikte steigt an, vor allem im privaten Bereich. Die Selbstmordrate erhöht sich, und es herrscht generell eine aggressivere Stimmung. Das alles führt zu vermehrten Einsätzen und längeren Arbeitszeiten für jene, die im öffentlichen Dienst tätig sind. Vor diesem Hintergrund kam es während der „Black Lives Matter“-Demonstrationen, die sich rund um den Erdball ausbreiteten, zu tätlichen Übergriffen auf die Polizei. Jeder in Uniform wurde unter den Generalverdacht des Rassismus gestellt und verbal, aber auch physisch angegriffen. „Das hat mich schon tief getroffen“, so Christian, „da setzt man sich ohnehin der erhöhten Virusgefahr aus, weil man bei steigenden Infektionszahlen und Lockdown den Dienst versieht, und dann wird man beschimpft, wenn man versucht, Streitigkeiten zu schlichten.“ Natürlich ist Christian bewusst, dass dies alles auch im direkten Zusammenhang mit den sozialen Medien steht, da diese in Zeiten von Social Distancing und Lockdown vermehrt konsumiert werden. Seit geraumer Zeit, und das gibt ihm wieder Hoffnung, schlägt das Pendel in die andere Richtung um: „Die Menschen auf den Straßen beginnen uns wieder zu vertrauen, der Hass hat deutlich abgenommen. Die Menschen realisieren, dass die Propaganda in sozialen Netzwerken nicht der Realität entspricht“, so Christian weiter.
Zukunft
Anna ist derzeit in Mutterschutz und wird sich auch nachher für eine Weile der Kindererziehung widmen. Anders als in Österreich sind Kindergartenplätze in Kanada sehr teuer, Gehalt und Kosten gleichen sich nahezu aus. Daher ist es der einzig logische Schritt, die Erziehung als Mutter selbst in die Hand zu nehmen. Wer sich nun aber denkt, ie Vier haben Ihr Zuhause gefunden, der irrt. Anna und Christian schmieden bereits Pläne für die nächsten Abenteuer. Christian hat sich bei der Bundespolizei beworben, was ihnen die Möglichkeit eröffnen würde, alle paar Jahre den Dienstort zu wechseln, das wären dann noch ein paar Wohnortwechsel, bevor sie sich endgültig niederlassen. Sie wollen mehr vom ländlichen Kanada erleben und den Kindern den Kontakt zur kanadischen Wildnis ermöglichen. Anna und Christian sind auch besonders froh darüber, dass ihre beiden Kinder die Doppelstaatsbürgerschaft besitzen. Das heißt für die Kinder, dass ihnen im späteren Berufsleben der Arbeitsmarkt von Kanada, den USA und der von Europa offensteht.
Wir wünschen der jungen Familie alles Gute und sind überzeugt, dass sie ihren Weg erfolgreich weitergeht!
Text: Achim Kofler