Lehrkraft werden ist nicht schwer, …
… Lehrkraft sein dagegen sehr. Ein Thema, bei dem die Wogen in allen öffentlichen wie privaten Sphären regelmäßig hochgehen. Dabei reden wir hier über einen Beruf, der zu einem der wichtigsten zählt, die es wohl geben kann. Warum das so ist, haben wir im persönlichen Gespräch mit zwei Menschen dieser Zunft erörtert.
Wir alle – zumindest in westlichen Gefilden – haben das Glück, eine Schule besuchen zu können oder besucht zu haben. Wir lernen lesen, rechnen, schreiben und im besten Fall noch etwas über die Welt, unsere Mitmenschen und vielleicht auch etwas über uns selbst. Einige Lehrerinnen und Lehrer bleiben dabei besonders in Erinnerung, positiv wie negativ. Fakt ist, Österreich leidet an akutem Lehrermangel. Kärnten steht derzeit noch gut da, aber auch auf das südlichste Bundesland kommt dieses Loch in wenigen Jahren zu.
Der Quereinstieg ist jetzt für viele Berufstätige möglich, dennoch: Der Beruf an sich hat mit allgemeinen Klischees und Statuseinbußen zu kämpfen und das schon lange. Zudem wird der „sichere“ Beruf gern gegen die Vorstellung eingetauscht, in der freien Wirtschaft wäre alles zu erreichen – schneller, freier, besser. Hier und da lässt sich zudem eine Geringschätzung jenes Berufes orten, der im Grunde fordernder und ertragreicher nicht sein könnte. Ein Beruf, bei dem sich der Gewinn nicht monetär beziffern, sondern sich erst Jahre später ausmachen lässt, in Form von gebildeten und offenen Menschen, die ihren Beitrag leisten können für eine „bessere Welt“. Ein Beruf, bei dem man „immer auch ein bisschen Sozialarbeiter sein muss“, wie Gerald Stuppnig meint. Er ist neben Melissa Rauter einer aus dieser Zunft. Beide haben wir zum persönlichen Gespräch getroffen.
„Das Wichtigste ist, sich selbst treu zu bleiben“
Die Villacherin Melissa Rauter (26) hat Physik und Chemie auf Lehramt studiert, schreibt gerade an ihrer Masterarbeit und unterrichtet in ihrem ersten Jahr an einem Gymnasium in Graz. Irgendwann will sie wieder zurück nach Kärnten und hier weitermachen mit dem Beruf, der „mich manchmal an meine Grenzen bringt, aber auch weiterentwickelt“. Gerald Stuppnig (66) war 36 Jahre als Lehrer aktiv, in Haupt- und (Neuen) Mittelschulen. Er hat viel erlebt, auch, wie das „Neue“ aus den Mittelschulen wieder gestrichen wurde. Jetzt, knapp ein Jahr nach seiner Pensionierung, blickt er auf ein ereignisreiches Lehrerdasein zurück, das er nicht missen will. Englisch, Bildnerische Erziehung und Technisches Werken waren seine Fächer, und begonnen hat er in Arnoldstein, wo er auch herkommt. Später unterrichtete der passionierte Rock-Gitarrist einige Jahre in Bad Bleiberg, darüber hinaus gab es Stationen in Treffen und Obervellach. Zuletzt war er viele Jahre an der Mittelschule in Lind tätig. Fragt man ihn nach einem Rat, den er einer Junglehrerin geben würde, antwortet er: „Sich selbst als Lehrkraft nicht so ernst zu nehmen und bei jedem Kind immer auch hinter die Kulissen zu blicken.“
Mit Kulissen meint er das soziale Umfeld, aus dem ein Kind wie eine Pflanze herauswächst. Es sei der Boden, auf den man schauen und in seine Perspektive auf das Kind mit einfließen lassen müsse. Vieles hätte er in seiner Laufbahn gesehen, einiges davon war schön, anderes weniger schön: „Manches geht tief hinein ins Herz, wenn man die Geschichten hinter dem Verhalten mancher Schüler kennt.“ Über eines nämlich sollte man sich im Klaren sein, wenn man diesen Job ausüben wolle: „Wissen zu vermitteln ist das Eine – für die Schüler da zu sein das Andere.“
Zufrieden mit der eigenen Berufswahl
Ihre Ausbildung war interessant, wenngleich auch manchmal mühsam, sagt Melissa Rauter über ihr Studium in Graz. Nach einem Jahr Lehrerinnenerfahrung sei sie endlich angekommen: „Nach anfänglichen Unsicherheiten kann ich jetzt sagen: … Lehrkraft sein dagegen sehr. Ein Thema, bei dem die Wogen in allen öffentlichen wie privaten Sphären regelmäßig hochgehen. Dabei reden wir hier über einen Beruf, der zu einem der wichtigsten zählt, die es wohl geben kann. Warum das so ist, haben wir im persönlichen Gespräch mit zwei Menschen dieser Zunft erörtert. Foto: René Puglnig/Woodapple – stock.adobe.com Jahresausgabe 2024 Seite 21 Ich bin mit meiner Berufswahl zufrieden.“ Und wie die Hundeliebhaberin zu dieser gekommen ist? Sie habe sich nach der Matura am BRG St. Martin einfach hingesetzt und ihre positiven Eigenschaften aufgeschrieben. Hinzugefügt habe sie ihre Interessen und herausgekommen sei dabei eben u. a. der Beruf der Lehrerin. Es gebe kein Rezept zum erfolgreichen Lehrerdasein: „Wir alle haben unterschiedliche Typen von Lehrpersonen kennengelernt und konnten uns mit manchen gut identifizieren und mit manchen weniger gut. Das Wichtigste ist, sich selbst treu zu bleiben, so erreicht man am ehesten die Akzeptanz der Schülerinnen und Schüler.“
Es gehe darum, sich die eigenen Grenzen zu überlegen und diese auch zu kommunizieren. Vieles sei gut im aktuellen Bildungssystem, einiges könnte noch verbessert werden, meint sie, wie z. B. die Reduktion der Schüleranzahl in den Klassen. Eine Einschätzung, die auch Gerald Stuppnig nach jahrzehntelanger Erfahrung teilt. Als Lehrkraft trifft man sie vor allen anderen: unsere zukünftigen Bundespräsidentinnen, Ärzte, Gastronomen, Reinigungskräfte, Politikerinnen, Mütter und Väter. Und das bringt Verantwortung mit sich, eine Verantwortung, der sich alle Lehrkräfte stellen. Ob Pädagogen, Sozialarbeiterinnen oder Pflegebedienstete: Menschen, die sich um andere kümmern – ob durch Bildung oder Fürsorge – können großen Einfluss darauf haben, wie sich junge Menschen entwickeln, wie sie die Welt sehen, wie sie sich selbst sehen. Das macht es so spannend und herausfordernd zugleich. Eine Hommage an einen Beruf, der unseren Respekt verdient hat und hoffentlich noch viele dafür begeistern wird können – denn, wie heißt es so treffend: „Hinter jedem lebensfrohen Kind steckt eine großartige Lehrkraft.“
Text: Jaqueline Rauter