Online-Zocken im Volksschulalter
Digitale Spielewelten bestimmen zunehmend den Kinder-Alltag. Daraus resultierend: neue Risiken, aber auch neue Chancen. Eltern stehen in der Kindererziehung vor enormen Herausforderungen.
Claudia kennt das. Ihr Sohn, acht Jahre alt, nutzt beispielweise jede Gelegenheit, Fortnite zu spielen. Im Bus auf dem Weg zur Schule, nach der Schule am Schulhof oder am Nachmittag bei Freunden. Fortnite ist aktuell eines der beliebtesten Onlinespiele und ein sogenannter Ego-Shooter; was bedeutet, dass die Spieler aus der eigenen Perspektive im dreidimensionalen Raum mit fiktiven Schusswaffen ihre Gegner bekämpfen. Als Mindestalter empfehlen die Experten für dieses Spiel 14 Jahre.
Claudia hat ihrem Sohn eigentlich verboten, Fortnite zu spielen. „Mama, alle meine Freunde in der Klasse spielen das“, so der Achtjährige. Und weil er es offiziell nicht spielen darf, macht er es eben heimlich. Schlupflöcher dafür findet er genug. „Das Alter, in dem Kinder mit digitalen Spielen in Kontakt kommen, ist deutlich gesunken“, so Matthias Jax, Projektleiter bei Safer-Internet, „viele haben in dem Alter schon ihr eigenes Smartphone oder sie nutzen das Smartphone oder das Tablet von Eltern, älteren Geschwistern oder Freunden. Und auf diesen Geräten kann heutzutage alles gespielt werden.“
Kontrollmechanismen überlegen
Haben sich die Jugendlichen früher vor ihren Gaming PC gesetzt, um Computer-Spiele zu spielen, ist das Spielen mit dem Smartphone heute immer und überall möglich. „Das muss ich als Elternteil einfach realisieren“, so Jax, „und auch, dass ich bei digitalen Medien nur bedingte Kontrolle habe. Ich kann nicht zu 100 Prozent wissen, was mein Kind in dieser digitalen Welt macht. Wichtig ist hier, dass man mit dem Kind Regeln aufstellt und gemeinsam die Dinge auch bespricht. Man muss als Elternteil einschätzen, entscheiden und realisieren, ob das Kind mit den Inhalten dieser Spiele auch umgehen kann.“ Die neue, digitale Medienwelt, in der die Kinder von heute groß werden, erfordert neue Formen der Regeln und Kontrollmechanismen, die sich Eltern überlegen und in ihrer Erziehungsarbeit einführen müssen: „Eine Empfehlung ist immer zu versuchen, gemeinsam diese Welt zu entdecken. Kinder freuen sich, wenn man auch mal gemeinsam diese digitalen Spiele ausprobiert.“
Man soll das Ganze betrachten, diskutieren und keine falschen Schlüsse ziehen – im richtigen Familienkontext ist es sogar förderlich für weitere Lebens-Anforderungen.
Matthias Jax, Projektleiter bei Safer-Internet
Was macht die Faszination und den Reiz dieser Spiele aus?
„In diesen Spielen ist es erlaubt, Fantasien auszuleben und Dinge auszuprobieren, ohne Angst haben zu müssen, dabei das Gesicht zu verlieren. Viele Spiele machen heutzutage durchaus Sinn und fördern auch unterschiedliche Kompetenzen. Außerdem verschaffen sie dem, der spielt, Freiraum und die Möglichkeit, sich eine Zeitlang vom Alltag zurückzuziehen.“
Auch Claudia hat das bei ihrem Sohn beobachtet. Wird er in der Schule immer nur mit dem konfrontiert, was er nicht kann, so kann er in der digitalen Welt all seine Stärken ausspielen. Und trotzdem macht sie sich Sorgen. Machen diese Gewaltspiele ihren Sohn auch in der realen Welt gewalttätig? „Ein Computerspiel alleine macht ein Kind sicher nicht gewalttätig. Hier darf man die Diskussion nicht verkürzt darstellen und falsche Schlüssen ziehen“, so der Experte. „Man muss immer das Ganze betrachten. Aus unserer Erfahrung heraus wissen wir, dass ein digitales Spieleleben von Kindern, eingebettet in einen richtigen Familienkontext nicht nachteilig ist, sondern wahrscheinlich sogar eher förderlich für die zukünftigen Berufsmöglichkeiten und Anforderungen im Arbeitsleben. Aber hier sind ganz klar die Eltern in der Pflicht, und wie überall kommt es auch hier auf das Maß der Dinge an.“
Text: Gerlinde Tscheplak